Andreas Braun: „Jahnwiese ist das einzige, was wir noch haben„
Sinziger Wehrleiter kritisiert mangelnde Wertschätzung der Stadtratsmehrheit für die vorliegende Standortanalyse und nennt den Vorstoß für das Bauhofgelände „nicht nachvollziehbar“
Sinzig. Die Feuerwehr der Barbarossastadt weiß immer noch nicht, wo sie künftig ihre Zelte aufschlägt. Der Stadtrat hat jüngst mit knapper Mehrheit für einen Antrag der Grünen gestimmt, neben der Jahnwiese auch noch den bisherigen Standort des Bauhofs in Sinzig-Ost zu prüfen. Die Enttäuschung bei den Sinziger Wehrleuten sitzt noch tief, auch bei Wehrleiter Andreas Braun.
Im Gespräch mit dem Rhein-Ahr Anzeiger kritisierte er zudem den Umgang der Stadtratsmehrheit mit der Standortanalyse 2022, die als einzige mögliche Option für das neue Feuerwehrgerätehaus die Jahnwiese empfohlen hatte. Nur dort ließen sich die vorgeschriebenen Einsatzgrundzeiten einhalten, betonte Braun.
Hier das Interview im Wortlaut:
Herr Braun, der Standort Kölner Straße für das neue Feuerwehrgerätehaus ist endgültig vom Tisch. Der Stadtrat hat aber nicht die von der Feuerwehr erhoffte klare Entscheidung für den Standort Jahnwiese gefällt. Wie enttäuscht sind die Kameradinnen und Kameraden der Sinziger Feuerwehr? Oder gibt es auch Verständnis?
Die Enttäuschung ist schon groß. Wir haben uns erhofft, dass man seitens des Stadtrats eine einstimmige Entscheidung für die Jahnwiese trifft. Wir müssen es jetzt akzeptieren, wir müssen es hinnehmen.
Eine Begründung im Stadtrat lautete, dass man nicht weiß, ob ein Feuergerätehaus auf der Jahnwiese überhaupt genehmigungsfähig ist. Man befürchtet Klagen von Anliegern. Die Grünen argumentieren, das Bauhofgelände in Sinzig-Ost sei der einzige Standort, bei dem man ganz sicher sofort loslegen könnte. Ist es da nicht klug, auch diesen Standort zu prüfen?
Seit 2008, also seit nunmehr 15 Jahren, kümmere ich mich unter anderem um die Errichtung eines neuen Feuerwehrgerätehauses. Immer wieder wird dieses Thema unter anderem in den Medien aufgerollt. Wir haben Anfang des Jahres 2022 von einem Fachunternehmen eine Standortanalyse erstellen lassen, bei der vier Standorte untersucht wurden. Das waren der jetzige Standort in der Friedrich-Ebert-Straße, die Kölner Straße, die Jahnwiese und ein Grundstück im Gewerbegebiet Sinzig-Ost, was es faktisch gar nicht gibt. Als einziger Standort, bei dem wir die Einsatzgrundzeiten einhalten können, ist die Jahnwiese beurteilt worden. Es ist das einzige, was wir noch haben hier im Ort für die Errichtung eines angemessenen Feuerwehrhauses, das die Schlagkraft unserer Wehr nachhaltig gewährleistet. Seitens der Politik gab es von der Mehrheit keine Wertschätzung für diese Analyse. Ich erinnere an die Ratssitzung im Juli 2022. Es war für mich ein Schlag ins Gesicht. Als ehrenamtlicher Wehrleiter frag ich nach dem Warum und wie es nun weitergehen soll
Wie beurteilt denn die Feuerwehr grundsätzlich den von den Grünen vorgeschlagenen Standort des Bauhofgeländes in Sinzig-Ost?
Dass jetzt das Bauhofgelände ins Spiel gebracht wird, kann ich nicht nachvollziehen. Hier verweise ich auf die bestehende Standortanalyse.
Angedacht ist, den Bauhof dann in das neue Gewerbegebiet an der Kölner Straße zu verlegen.
Hierzu kann ich keine Aussagen treffen.
Der Standortvorschlag der Grünen kam ja ziemlich überraschend. Wäre denn das Bauhofgelände prinzipiell denkbar, wenn man mehr Vorlauf gehabt hätte? Es liegt ja nicht am Ende der Welt. Oder gibt es objektive K.o.-Faktoren?
Wir haben eine Standortanalyse erstellen lassen mit klarem Ergebnis. Ich habe die letzten 15 Jahre sämtliche möglichen Flächen in der Stadt besichtigt – das Ergebnis: Es gibt keine anderen Flächen mehr, um den gesetzlichen Vorgaben gerecht zu werden. Wir müssend zukunftsweisend denken und dafür sorgen, dass wir auch weiterhin ein leistungsfähiges Feuerwehrgerätehaus haben, wo ein leistungsfähiges Team in Zukunft seine ehrenamtliche Hilfe gerne verrichtet.
Auch die Feuerwehr in Remagen liegt weit außerhalb der Kernstadt. Warum funktioniert das in Remagen und in Sinzig nicht?
Die Stadt Remagen ist von ihrer Infrastruktur anders aufgestellt, das kann man mit Sinzig nicht vergleichen.
Als Argument für die Jahnwiese wird oft angeführt, dass die meisten Sinziger Kameraden in der Nähe wohnen und daher der Standort ideal ist. Heißt das: Lägen die Wohnungen anderswo, wäre auch ein anderer Standort denkbar? Was wäre, wenn sich jetzt ganz viele Menschen aus Sinzig-Ost bei der Feuerwehr anmelden würden?
Wir haben jetzt eine Stammmannschaft mitten im Ort. Und da wird sich an der Infrastruktur auch nichts ändern.
Kommen wir zu den offenen Fragen in Bezug auf den Standort Jahnwiese, das als Filetstück für die Stadtentwicklung gilt.
Ich bin jetzt mal provokant: In den letzten zwei Jahren hat die Feuerwehr auf der Jahnwiese das Martinsfeuer aufgebaut – ansonsten passiert hier das Jahr über nicht wirklich viel.
Gleichwohl gilt die Jahnwiese als wichtige Fläche in städtischem Besitz für Projekte der Stadtentwicklung. Stichwort Stadthalle. Können Sie nachvollziehen, dass sich Teile der Politik, aber auch der Bürgerschaft schwer damit tun, diese zentrale Fläche für ein Feuerwehrgerätehaus zu opfern?
Ein Feuerwehrgerätehaus ist eine wichtige Einrichtung im Hinblick der kritischen Infrastruktur, die eine Gemeinde vorhalten muss. Leider wurde meine Arbeit und die Arbeit des Planungsteams nicht gewürdigt. Wir haben jahrelang zusammengesessen, mit Planern, mit Feuerwehrleuten, mit der Verwaltung. Und das Konstrukt, was wir jetzt haben, passt eins zu eins auf die Jahnwiese.
Stellen wir uns mal vor, das Feuerwehrgerätehaus steht auf der Jahnwiese, es gibt eine Großlage, die mit dem Schulschluss oder der Abholung der Kitakinder kollidiert. Wie will man da Konflikte oder Unfallgefahren vermeiden? Oder anders: Wo soll denn die Einfahrt und Ausfahrt fürs Gerätehaus sein? Durch den jetzigen Park an der Barbarossastraße?
Dieses Thema wird Gegenstand der Planungen sein.
Ein weiteres Argument gegen die Jahnwiese ist die Frage der Architektur. Ein Zweckbau wie das Feuerwehrgerätehaus neben der „guten Stube“, dem Sinziger Schloss: Das klingt nach einem Konflikt. Sehen Sie Möglichkeiten, den Konflikt aufzulösen? Kann man das Feuerwehrgerätehaus noch ein bisschen schön machen?
Wir reden hier wie gesagt über die kritische Infrastruktur. In den jetzigen Planungen sind Grünflächen rund um das Feuerwehrgerätehaus vorgeschrieben. Einen Konflikt zum Schloss sehe ich nicht.
In den sozialen Netzwerken zeigen sich Mitglieder der Feuerwehr durchaus kompromissbereit, was die architektonische Qualität des Gebäudes betrifft. Ein Schlauchturm sei dort nicht zwingend nötig, wenn er die Sicht aufs Schoss störe. Man könne eine Übungswand vielleicht auch auf dem Bauhofgelände errichten. Sehen auch Sie noch Verhandlungsmasse oder ist der Plan in Stein gemeißelt?
Solche Aussagen sind mir nicht bekannt. Nach meinem Verständnis sollten wir auf jeden Fall mit den vorhandenen Unterlagen in die Planung einsteigen. Wir haben aber im Stadtgebiet kaum noch Möglichkeiten für Leiterübungen. Übungen mit Leiter gehören unter anderem zu den Hauptübungseinheiten bei der Feuerwehr. Das ist ein Hauptgrund für einen Turm, den ich auch gerne wieder in diese Planungen einfließen lassen möchte.
Klettern üben: völlig nachvollziehbar. Kann man den keine Synergien in der Rheinmeile suchen? Remagen hat einen Turm.
Dies werden wir im Hinblick auf die Sicherstellung der Einsatzfähigkeit bewerten müssen.
Sie warten schon so viele Jahre auf das neue Feuerwehrgerätehaus. Mit welchen Verzögerungen rechnen Sie durch den aktuellen Ratsbeschluss?
Das weiß ich nicht. Wir werden seit Jahren immer und immer wieder vertröstet. Ich kann jetzt nicht sagen, ich rechne mit einer konkreten Verzögerung von x Jahren. Das wäre unseriös und macht auch für mich keinen Sinn. Verwaltungsseitig wird alles getan, das weiß ich.
Wie leidensfähig und wie geduldig ist die Sinziger Feuerwehr? Droht jetzt die Stimmung in der Mannschaft endgültig zu kippen?
Wir machen unsere ehrenamtliche Tätigkeit aus Überzeugung. Irgendwann ist sicherlich die Geduld am Ende. Man ist einfach genervt, und ich kann die Mannschaft verstehen. Der Stadtratsbeschluss steht, den haben wir zu akzeptieren. Das tun wir, denn wir sind ja auch Bürger und als solche müssen wir die Maßnahme am Ende ja auch mitbezahlen. Und wir werden unseren Dienst auch weiterhin so gut wie möglich für die Sinziger Bürgerinnen und Bürger verrichten. Dafür sind wir da. Das machen wir gerne. Die Stimmung ist durchweg gut.
Galgenhumor schweißt zusammen?
Das könnte man so sagen. Ja.
Fünf Ratsmitglieder haben trotz aller Argumente an dem von der Flut betroffenen Standort Kölner Straße festgehalten. Haben Sie dafür irgendeine Form von Verständnis?
Nein.
Die Fragen stellten Manfred Ruch und Achim Gottschalk
Fotos: Achim Gottschalk, allgrafics